Die Genforschung ist seit Gregor Johann Mendel mit dem Ziel angetreten, alle menschlichen Eigenschaften in der Materie der Gene dingfest zu machen. Die bislang größte Unternehmung auf diesem Gebiet bestand im Humangenomprojekt, das 2001 die vollständige Entschlüsselung des menschlichen Genoms verkündete. Doch diese Entschlüsselung bedeutet nichts weiter, als dass die Sequenzen der ca. 3 Milliarden Basenpaare der DNA nun schriftlich festgehalten wurden. Entschlüsselt sind sie damit noch nicht, vielmehr haben wir erst einmal nur verstanden, wie gering unser Wissen über die Erbmasse eigentlich ist. Das Ergebnis des Genomprojektes ist vergleichbar mit einem chinesischen Buch, in dem 3 Milliarden Schriftzeichen festgehalten sind, wir aber noch kaum eine Ahnung davon haben, was sie eigentlich bedeuten. Denn als Gene, die tatsächlich in RNA transkribiert werden, also in die Nukleinsäure, die die genetischen Informationen in den Zellen des Körpers umsetzt, gelten nur verschwindende 5 % der Erbmasse.
Doch auch die Gene, die bereits in ihrer Funktion erkannt wurden, sind weit weniger statisch und unveränderlich als bisher angenommen. Bei den so genannten konstitutiven Genen, die die Grundfunktionen steuern, geht man davon aus, dass sie sich im Lauf des Lebens nicht grundlegend ändern. Doch auch hier variiert die Zahl der Gen-Kopien in einer Zelle je nach den Umständen und kann somit alle Körperfunktionen beeinflussen.
Für die Psychotherapie sind die so genannten regulierten Gene besonders interessant: Ihre Aktivität wird von äußeren Einflüssen gesteuert; ob und wie intensiv die Genexpression eines Gens ist, hängt hier also nicht nur von Ernährung, Klima und anderen Umweltbedingungen ab, sondern in hohem Maße auch von den Erfahrungen, die ein Individuum macht und der hormonellen Ausschüttung, die durch diese Erfahrungen im Körper stattfindet. Ernest Rossi und andere haben in einer Reihe von Studien belegt, dass traumatische Erfahrungen ihren Niederschlag in der Genexpression haben. Dies zeigt z. B. eine Studie, die Menschen untersucht haben, die den Anschlag auf das World Trade Center am 11.9.2001 miterlebt haben. Hier zeigte sich, dass bei denjenigen, die eine posttraumatische Belastungsstörung aufwiesen, sich auch die Genexpression deutlich von den Menschen unterschied, die keine solchen psychischen Folgestörungen aufwiesen. Weiterhin lässt sich zeigen, dass therapeutische Interventionen unter Tiefenentspannung – in seinem Fall Hypnose – die Genexpression verändern können.1 In einer anderen Forschung kann Rossi zeigen, wie sich sofort nach einer positiven therapeutischen Erfahrung die Genexpression einer Reihe von Genen deutlich verändert.2 Rossi schlussfolgert daraus, dass Psychotherapie ein kreativer Dialog mit unseren Genen sei. Diese Erkenntnis stellt zum einen eine Verbindung zwischen Leib und Seele, zwischen Körper und Psyche her, weil sie zeigen kann, in welcher Weise Erfahrungen, Eindrücke und Gefühle sich direkt in dem genetischen Ausdruck niederschlagen. Was wir also phänomenologisch als so genanntes Zellgedächtnis in der therapeutischen Arbeit beobachten können, nämlich dass Erfahrungen sich in jeder Körperzelle abspeichern, wird durch diese Forschung auf ein Fundament gestellt, das auch den Kriterien der gängigen medizinischen und biologischen Wissenschaften gerecht wird.
Für unsere Arbeit heißt das auch, dass wir nun einen Ansatzpunkt dafür vermuten können, wie sich durch die Generationen vererbte Traumata auch physisch auf den Genen manifestieren. Häufig stoßen wir ja auf systemische Probleme, so stellen wir zum Beispiel fest, dass ein Klient stellvertretend für einen seiner Vorfahren ein Problem auslebt. Mit den neuen Ergebnissen aus der Genforschung wird vorstellbar, dass sich Erinnerungen, Gefühle, Gedanken der Vorfahren tatsächlich nicht nur in der genetischen Struktur dessen niederschlagen, der sie persönlich erlebt hat, sondern dass sie sich in dessen Genen dauerhaft niederschlagen und somit auch in der genetischen Struktur an seine Nachkommen weiter vererben.
Vor diesen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist auch das Fazit zu sehen, das Ronald Laing zur Vererbbarkeit von Erfahrungen zieht: „Die Umwelt wird vom ersten Moment meines Lebens registriert: von meiner ersten Zelle. Was sich mit meinen ersten paar Zellen ereignet, kann durch alle Generationen nachhallen, die auf unsere ersten zellularen Eltern folgen. Diese erste Zelle enthält alle meine ‚genetischen’ Erinnerungen. Unsere erste Erfahrung mit diesem Universum machen wir in einem Eileiter in einem weiblichen Körper“3
Was ist nun mit den noch nicht in ihrer Bedeutung verstandenen 95% der Gene, also der so genannten nicht-kodierenden Desoxiribonukleinsäure? Möglicherweise sind sie ein genetisches Potential, das nur unter bestimmten Bedingungen abgerufen wird, möglicherweise lassen sie sich als Verwaltungsapparat verstehen, der eine Vielzahl von Informationen aufnimmt, speichert und an kommende Generationen weitergibt, hier eröffnet sich noch ein großes Feld offener Fragen.
Grażyna Fosar und Franz Bludorf haben in ihrem Buch „Vernetzte Intelligenz. Die Natur geht online. Gruppenbewusstsein – Genetik – Gravitation.“ zahlreiche revolutionäre Forschungsansätze zusammengeschrieben und bieten einen völlig neuen Erklärungsansatz für die Bedeutung dieser Gene. 4 Unter anderem beziehen sie sich auf die Studien von Fritz-Albert Popp.5 Er untersuchte das Phänomen der Biophotonen, einer natürlichen Lichtstrahlung, die von jedem lebenden Organismus ausgeht. Diese Biophotonenstrahlung ist sehr schwach und nur durch erhebliche Verstärkung in der Dunkelkammer sichtbar zu machen. Popps Forschungen brachten ihn zu der Erkenntnis, das das, was wir mit der Nahrung aufnehmen, um leben zu können, mit Kohlehydraten, Eiweißen und Fetten nicht ausreichend beschrieben wird. Vielmehr ist es dieses Licht, das vor allem unsere pflanzliche Nahrung von der Sonne speichert und das uns ernährt: „Wir sind primär nicht Kalorienfresser, auch nicht Fleischfresser, Vegetarier oder Allesfresser, sondern Ordnungsräuber und Lichtsäuger.“
Die Biophotonenstrahlung, die Pflanzen zeigen ist anfangs stark und fällt in der Dunkelkammer dann mit der Zeit ab. Das heißt, unser Körper strahlt nicht nur Licht ab, sondern ist auch in der Lage, Licht aus der Umgebung aufzunehmen. Für Fosar und Bludorf ist dies ein Befund unter vielen, der ganz neue Konzepte für die Funktion unserer DNA ermöglicht. Sie schlagen vor, über eine rein biochemische Analyse der DNA hinauszugehen und die DNA als Lichtspeicher unseres Körpers zu verstehen. Die DNA hat ja eine sehr charakteristische Form – eine gewundene Doppelhelix. Dadurch wäre es im Prinzip möglich, dass sie elektromagnetische Antenne darstellt: Einesteils ist sie langgestreckt und damit eine Stabantenne, die elektrische Impulse aufnehmen kann. Andererseits ist sie, von oben gesehen, ringförmig und damit eine magnetische Antenne.
Was geschieht mit der elektromagnetischen Energie, die die DNA aufnimmt? Sie wird in ihr gespeichert, indem das Molekül – einfach ausgedrückt – in Schwingung versetzt wird. Physikalisch nennt man ein solches System einen harmonischen Oszillator: „Wir Menschen tragen also in jeder Zelle unseres Körpers ein technisches Hochleistungsgerät: einen Mikrochip mit 3 Gigabits Speicherfähigkeit, der elektromagnetische Informationen aus der Umwelt aufnehmen, speichern und – möglicherweise in veränderter Form – auch wieder abgeben kann.“6
Es ist also denkbar, dass wir über unsere DNA Informationen empfangen aber auch aussenden können, die uns mit allen Menschen der Erde verbindet, und möglicherweise sogar eine Zugangsmöglichkeit zu allen Informationen im Universum bietet, die über elektromagnetische Energie ununterbrochen und jenseits von Zeit und Raum zugänglich ist. Fosar und Bludorf sprechen hier von einer so genannten Hyperkommunikation. Sie gehen davon aus, dass die vergangenen Jahrhunderte der Individualisierung unser Verständnis dieser Hyperkommunikation überlagert haben. Während in so genannten Naturvölkern und in früheren Kulturen übersinnliche Wahrnehmungen und Eingebungen als fester Bestandteil der Realität gesehen wurden, haben wir heute für solche Erfahrungen keinen legitimen Platz in unserem Weltbild. Doch während frühere Eingebungen als Götterdurchsagen gesehen wurden, denen man sich bedingungslos unterwarf, haben wir heute eine neue Chance: Mit einem individualisierten Bewusstsein sind wir dazu in der Lage, uns als selbständige Menschen an die Informationen des Universums anzuschließen und ein neues Verständnis dafür zu entwickeln, dass wir als Individuen mit der Energie und der Information des gesamten Universums verbunden sind.
1 Vgl. u. a. Rachel Yehuda u. a.: Gene Expression Patterns Associated with Posttraumatic Stress Disorder Following Exposure to the World Trade Center Attacks. in: Biol. Psychatry 2009 sowie: David Atkinson, Ernest Rossi u. a.: A New Bioinformatics Paradigm for the Theory, Research, and Practice of Therapeutic Hypnosis. Juli 2010; http://www.ernestrossi.com/ernestrossi/keypapers.html, zuletzt gesichtet am 29.6.2013.
2 Ernest Lawrence Rossi und Kathryn Lane Rossi: The Newu Neuroscience of Psychotherapy, Therapeutic Hypnosis and Rehabilitation: A Creative Dialoge With Our Genes. Hf. von: The Milton H. Erickson Institute of the California Central Coast. Abrufbar unter: http://www.ernestrossi.com/ebook/index.html.
3 Ronald Laing: „Die Tatsachen des Lebens“, zit. nach Werner Gross: Was erlebt ein Kind im Mutterleib? Ergebnisse und Folgerungen der pränatalen Psychologie, S. 32.
4 Grażyna Fosar / Franz Bludorf: Vernetzte Intelligenz. Die Natur geht online. Gruppenbewusstsein – Genetik – Gravitation. Aachen 2007 (1. Aufl. 2001).
5 Fritz-Albert Popp: Die Botschaft der Nahrung. Unsere Lebensmittel in neuer Sicht. Frankfurt a. M. 1999.
6 Fozar/Bludorf 2007, S. 205.